Dankbare Erinnerungen
Michael Dippelreiter
Knapp nach seinem 86. Geburtstag verstarb Dr. Bernhard Stillfried, Kulturpolitiker und Mensch. Im Auftrag der Österreichischen Bundesregierung gründete und leitete er die Österreichischen Kulturinstitute im Nahen Osten, später jenes in London. Als Leiter der Kulturpolitischen Sektion im damaligen Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erkannte er im annus mirabilis 1989 die Chancen Österreichs, durch eine wirkungsvolle Kulturpolitik in den neuen Demokratien Präsenz zu zeigen. Gemeinsam mit anderen Bundesministerien beziehungsweise mit Unterstützung anderer wissenschaftlicher und kultureller Institutionen wurden Initiativen gesetzt, welche die kulturellen und wissenschaftlichen Standards der Reformstaaten Mittel- und Osteuropas anheben sollten und die teilweise heute noch bestehen; als Beispiel sei das Netz der Österreich-Bibliotheken genannt. Nach seiner Pensionierung wurde Bernhard Stillfried gebeten, die Geschäftsführung des neugegründeten Vereins „Österreich-Kooperation in Wissenschaft, Bildung und Kultur“ zu übernehmen, der sich vordringlich mit der Betreuung der österreichischen Sprachlektoren befasste; es wurden aber immer mehr Aufgaben übernommen, wie z.B. die Betreuung der österreichischen Sprachassistenten und –praktikanten, die (effiziente) Abwicklung eines kleinen Förderungsprogrammes für Ost- und Südosteuropa und schließlich die Gründung von zwei Außenstellen für Wissenschaft, Bildung und Kultur in Lemberg und Sarajewo. Als Präsident des alteingesessenen Vereines „Österreichische Kulturvereinigung“ initiierte er den „Österreichischen Kulturkongress“ und als Vorstandsmitglied zahlreicher wissenschaftlicher Vereine und Institutionen versuchte er Synergien zu nutzen, um Projekte und deren Träger ausreichend unterstützen zu können.
Schon Anfang der 1990er Jahre richtete Bernhard Stillfried sein Augenmerk auf die neu entstehende Ukraine. Durch die Herkunft seiner Gattin sensibilisiert, besuchte er in einer abenteuerlichen Fahrt mit dem eigenen PKW in offizieller Mission die Westukraine, also das ehemalige Ostgalizien und Nordbukowina knüpfte dort erste mögliche Partnerschaften und fand neue Freunde. Bei zahlreichen Reisen wurden nicht nur neue, wichtige und weiterführende wissenschaftliche Veranstaltungen - hauptsächlich in Lemberg und Czernowitz - durchgeführt, den zahlreichen Mitreisenden brachte Bernhard Stillfried die Sehenswürdigkeiten, die Mentalität, die Religionsgemeinschaften und die Literatur der Westukraine näher. Ausgestattet mit geringen Fördermittel, konnte Bernhard Stillfried ausgewählte Projekte fördern, welche eine schulische oder universitäre Zusammenarbeit zum Zweck hatte; zahlreiche Partnerschaften, die auch jetzt noch funktionieren, fanden so ihren Beginn. Stillfried wollte aber dem Menschen der Westukraine ihre eigene Kultur und Geschichte näherbringen; dies geschah durch zahlreiche Übersetzungen literarischer und historischer Arbeiten ins Ukrainische. Als Beispiel seien die Schriftsteller und Dichter Manes Sperber, Paul Celan, Rose Ausländer oder der Historiker R.F. Kaindl genannt. Als anerkannter Partner sowohl der offiziellen österreichischen als auch der ukrainischen Behörden, konnte Bernhard Stillfried auch bei der Besorgung der nötigen Visa (früher auch in die Ukraine) behilflich sein, wobei er Wert darauf legte, die künftigen Reisenden persönlich kennen zu lernen und ihnen auch das nötige Rüstzeug für den bevorstehenden Besuch zu geben. Zahlreichen jungen Ukrainerinnen und Ukrainern aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Bereichen bot Bernhard Stillfried die Möglichkeit zu ersten Besuchen und Kontaktnahmen zu österreichischen wissenschaftlichen Organisationen. Viele dieser jungen Leute kontaktierten ihn noch regelmäßig bei ihren nun selbständigen Besuchen in Österreich.
Bernhard Stillfried wurde sowohl von der Staatlichen Ivan Franko Universität in Lemberg als auch von der Nationalen Jurij Fedkowytsch Universität Czernowitz mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet, eine Ehre, die er erfreut annahm.
Dr. Bernhard Stillfried war voller Ideen, die er auch beharrlich verfolgte. Er konnte den Menschen zuhören, formulierte aber auch seine Meinung deutlich. Obwohl aus dem Beamtenstab kommend und wissend, dass gewisse Regeln einzuhalten sind, war es doch seine Stärke so weit wie möglich unbürokratisch zu handeln. Oft genug kamen Personen zu ihm, trugen ihm ihre Vorhaben vor, und nach kurzer Überlegung und Überprüfung, gingen sie oft mit einer fixen Zusage für die Realisierung ihres Projektes wieder heim. Auch Ideen für soziale Projekte fanden bei ihm häufig Gehör.
Als Mensch war Bernhard Stillfried laut und polternd; er hatte aber auch eine andere Seite: gütig, mild, hilfsbereit. Er lachte gerne und liebte anspruchsvolle Unterhaltung bei einem Glas Bier. Sein größter Stolz war seine stets wachsende Familie, in deren Mitte er friedlich entschlafen ist. Österreichs Auslandskultur hat einen begnadeten Manager, viele Menschen haben einen Freund verloren.